Tagesausflug der ETVV Bern-Mittelland zum Mont Terri

Forschung für die Sicherheit

-Werner Schmidiger- Der Besuch der Eidgenössischen Turnveteranenvereinigung Bern-Mittelland am 26. Oktober 2022 im Felslabor Mont Terri in Saint-Ursanne passte perfekt zu heute intensiv diskutierten Themen. Die 36-köpfige Reisegruppe erfuhr dabei Eindrückliches zu den Themen „Lagerung radioaktiver Abfälle“ und „Speicherung von CO2“ in geplanten Tiefenlagern unseres Landes. Seit 1996 wird im unterirdischen Labor, 300 Meter unter der Erdoberfläche und angrenzend an den Sicherheitsstollen des A16-Autobahntunnels, der Opalinuston (Wirtgestein) erforscht. In mehreren, insgesamt 1200 Meter langen Galerien wurden bisher mehr als 150 verschiedene Experimente durchgeführt. Das rund 174 Millionen Jahre alte Wirtgestein ist in der Schweiz für das Tiefenlager der radioaktiven Abfälle vorgesehen. Die wissenschaftlichen Erkenntnisse dienen sowohl der Erhöhung der Sicherheit und technischen Machbarkeit als auch der Planung und Gestaltung eines künftigen geologischen Tiefenlagers in Tongesteinen (bis 1996 stand Granit im Fokus). Im Labor sind auch andere Forschungsbereiche wie zum Beispiel die Einlagerung von CO2 (Kohlendioxid) oder die Wärmespeicherung angesiedelt. Unter der wissenschaftlichen Leitung  des Bundesamtes für Landestopografie (Swisstopo) sind nicht weniger als 22 nationale und internationale Partnerorganisationen aus neun Ländern an der Forschungsarbeit beteiligt. Das Gelände gehört dem Kanton Jura und das Felslabor dient ausschliesslich Forschungszwecken. Es wird auch in Zukunft weder für die Lagerung radioaktiver Abfälle noch zur Speicherung von CO2 verwendet werden.

"Radioaktives Kaffeerahmhäfeli"

Einmal mehr sorgte Bruno Hirsbrunner mit seinem Car für eine sichere Fahrt, heuer in den „Jurazipfel“ mit dem Ziel „Mont Terri“ in Saint-Ursanne. Dort empfing uns Heinz Hauser als engagierter und kompetenter Referent und Führer im Besucherzentrum bei Kaffee und Gipfeli. Mit einfachen aber genialen (unbedenklichen!) Experimenten zeigte er uns ein paar Radioaktivitätsmessungen. So reagierte die Mess-Pistole beim Berühren eines „Kaffeerahmhäfelis“ erstaunlicherweise recht stark! Beim anschliessenden Einführungsreferat wurden mittels Power Point-Präsentation die wichtigsten Themenbereiche illustriert und kommentiert. Zudem beantwortete Heinz Hauser Fragen aus dem Kreis der Teilnehmenden. So etwa, dass allfällige Erdbeben in Tiefenlagern kaum ein Problem wären (weil im Untergrund). Und auf die Frage, ob der gewählte Standort - nahe der deutschen Grenze - von unserem nördlichen Nachbar verhindert werden könnte, meinte er: „Wahrscheinlich nicht, weil Deutschland gar keine Gebiete mit geeignetem Gestein habe“.

Praxisteil oder Besuch von Saint-Ursanne

Wer nicht unter Tag gehen wollte, konnte das Städtchen Saint-Ursanne besuchen. Die kleine Gruppe besichtigte unter anderem das Kloster und stellte bei ihrem Spaziergang fest, dass die Anzahl  Restaurants massiv zurückgegangen ist: „Etwa acht von zwölf waren -offenbar für immer- geschlossen“, wurde berichtet.
Die Mehrheit der Gruppe liess sich aber den Besuch in den unterirdischen Galerien nicht entgehen. Nach einer kurzen Fahrt in zwei Kleinbussen und der Passage einer Sicherheitsschleuse folgte der einstündige Rundgang in zwei Gruppen. Manche staunten über die zahlreichen Nischen mit vielen Messgeräten, Installationen und Experimenten. „So viele Löcher tief unter der Erdoberfläche habe ich noch gar nie gesehen“, meinte ein Teilnehmer. Die Ausführungen des Führerduos Hauser/Nicol zu den Themen Gesteinsverschiebungen („Jurafaltung“), Abdichtungen, Unterschiede und Ausgestaltung von offenen/geschlossenen Stollen, Auswirkungen bezüglich Wärmeentwicklung bei Lagerung von Brennelementen usw. stiessen auf grosses Interesse. Zu letzterem Thema stellte ein Teilnehmer die Frage, ob denn die entstehende Wärme nicht genutzt werden könnte. „Eigentlich schon, aber aus Sicherheitsgründen wird dies nicht erlaubt sein“, antwortete Heinz Hauser.

Die Suche nach idealen Standorten

Im „Sachplan geologische Tiefenlager“ wurde in drei Etappen vom Bundesrat festgelegt, wie in der Schweiz Standorte ausgewählt werden. Die Etappe 1 (mit sechs möglichen Gebieten) wurde  Ende September 2011 abgeschlossen. Nach sicherheitstechnischen Vergleichen fiel Ende 2018 der Entscheid, das Auswahlverfahren in der dritten Etappe in den Gebieten Jura Ost, Zürich Nordost und Nördlich Lägern weiterzuführen. Letzteres Gebiet wurde am 12. September 2022 von der Nagra als das am besten geeignetste bezeichnet. Die sogenannte Verpackungsanlage für radioaktive Abfälle ist  beim Zwischenlager in Würenlingen vorgesehen. Das Lagerprojekt wird nun bezüglich Auswirkungen auf Umwelt, Gesellschaft und Wirtschaft vertieft untersucht. Bis 2024 reicht die Nagra beim Bundesamt für Energie  Rahmenbewilligungsgesuche ein. Voraussichtlich 2029 wird der Bundesrat über  die Rahmenbewilligungen befinden. Diese müssen vom Parlament genehmigt werden. Das letzte Wort zur Standortwahl hat allenfalls das Schweizer Volk (nationales fakultatives Referendum).

Und noch etwas für spätere Agenden ;-): Die Einlagerung von hochaktiven Abfällen (HAA) in Tiefenlagern wird nicht vor 2060 (!) beginnen. HAA müssen nämlich zur Abkühlung rund 40 Jahre  zwischengelagert werden.

"La Petite Gilberte" und die kleine Zeitreise

Mit der Rückkehr ans Tageslicht und dem Abschied vom Besucherzentrum steuerte uns Bruno Hirsbrunner nach Courgenay ins Hôtel-Restaurant de la Gare. Wer fühlte beim Eintritt in diese legendären Räumlichkeiten den „esprit du temps der 1920-er-Jahre“? Jedenfalls dürfte auch bei vielen Turnveteranen der erste Weltkrieg (1914-18) als Stichwort genügen, um zu wissen, wer „La Petite Gilberte“ war und was sie damals im Wirtshaus der Familie Montavon bei den in die Ajoie beorderten Schweizer Soldaten bewirkte. Der eigens für uns servierte „Spatz“ wurde zwar nicht in der Gamelle serviert, aber in bester Qualität in geeigneten Schüsseln. Die Stimmung hätte nicht besser sein können, als dann noch das berühmte Lied „Trois cent mille soldats“ zu hören war und damit viele zum Mitsingen animiert worden sind. Das „militärisch“ geprägte Mittagessen schmeckte dem Vernehmen nach  ausgezeichnet und auch die Crème brulée zum Abschluss mundete mit oder ohne „Damassine-Garnitur“. 

Bei der Rückfahrt via das „Vallée de Delémont“ und auf der Transjura-Autobahn (A16) durfte natürlich ein Schlummertrunk-Halt nicht fehlen. Im Garten des bekannten Restaurants zum Grüene Aff in Altreu wurden wir eher zögerlich und mit eher grenzwertiger Freundlichkeit bedient. Unsere gute Laune bis nach Bern konnte damit aber nicht verdorben werden.

Der Schreibende bedankt sich herzlich bei allen Mitreisenden, speziell beim Chauffeur Bruno Hirsbrunner, bei Peter Küffer für die Fotos von Saint-Ursanne und bei den beiden Vorstandskameraden Ruedi Strüby und Andreas Maurer für die tadellose Organisation des dies Tagesausfluges. Es het gfägt!

Fotos Peter Küffer und Werner Schmidiger

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